Leben … am liebesten in einem Paralleluniversum

Als ich am Wochenende daheim war habe ich mal wieder in einem meiner alten Notizbücher gestöbert und alte Texte von mir gelesen. Egal ob es nur Gedanken waren oder wirklich Geschichten. Sie hatten eines gemeinsam. Meine triste Einstellung dem Leben gegenüber.

Zum Beispiel sagte die Ich-Figur in einer Geschichte ihrem Gegenüber: „Ich habe alles versucht, doch ich schaffe es einfach nicht, im echten Leben glücklich zu sein.“ In diesem Moment befand sich die Ich-Figur in einer anderen Welt. In einer Welt, die ich mir zusammen mit einer Person aufgebaut habe, die ich im Internet kennengelernt habe. In einem sicheren Rahmen, einer Schreibcommunity.  Das absurde war, dass dieses Mädchen alle meine Gedanken kannte. Alle meine Sehnsüchte und Ängste. Und ich kannte ihre. Dies war der einzige Moment, in dem mich verstanden gefühlt habe. Denn sie dachte genauso über die richtige Welt wie ich. Sie verabscheute ebenfalls vieles, dass ihr in der Schule passierte.  Damals der Dreh- und Angelpunkt von allem. Ausgangspunkt meiner Probleme mit der Welt. Dachte ich jedenfalls.

Denn jetzt bin ich keinen nervigen Mitschülern mehr ausgesetzt, denen ich etwas beweisen muss. Ich habe es geschafft ich selbst zu sein und suche mir die Menschen selber aus, mit denen ich etwas zu tun haben möchte. Doch trotz einiger Freunde, die mir sehr am Herzen liegen, trotz Wunschstudium und toller WG habe ich immer noch die selben Gedanken wie damals. Natürlich nicht immer, sie schleichen sich ab und zu ein. Es sind nicht mal Gedanken, es sind Gefühle. Sie sind schwer zu beschreiben, aber ich sollte am besten mit Enttäuschung anfangen. Enttäuschung über das Leben. Zumindest, über das Alltagsleben.

Vielleicht liegt es daran, dass ich lange keine Reise mehr gemacht habe. Denn auf Reisen geht es mir besser. Hier hat man nur Gedanken an das Überleben, an das nicht verloren gehen und geplant wir höchstens der nächste Tag. Immer wieder erlebt man schöne Momente, die einem ein Gefühl von Vollkommenheit geben. Es ist das Leben des Momentes, was mir an Reisen so gut gefällt. Lebe jeden Tag, als sei es dein letzter, oder genieße jede Sekunde. Es gibt Menschen, die können das im Alltag. Doch ich nicht. Habe ich wieder einen Tag faul in meinem Bett verbracht oder nur vor dem PC gesessen oder noch besser an einer Vorlesung, die so langweilig gestaltet war, dass ich ihr einfach nicht meine volle Aufmerksamkeit geben konnte teilgenommen, dann erschleicht mich dieses Gefühl. Dieses Gefühl, nicht den Tag so gelebt zu haben, als wäre es mein letzter.

Nicht ohne Grund ist momentan mein größter Traum eine Reise zu machen. Eine große Reise von der ich schon seit sechs Jahren träume. Raus aus Europa, das Leben in völlig fremden Kulturen kennen lernen. Vielleicht schaffe ich es dann, mein Leben hier in Deutschland bewusster Leben zu können. Auch wenn ich mir gut vorstellen kann, dass mich dann das Fernweh nie wieder loslassen wird.

Es heißt, man soll den kleinen Dingen im Leben Beachtung schenken. Dies tue ich auch, sogar gefühlt mehr als andere Menschen. Ich kann mich über vieles freuen, doch genauso erschrecke ich auch vor negativen Kleinigkeiten. Zum Beispiel lässt mich die Situation nicht mehr los, als ich einen jungen Mann dabei beobachtet habe, wie er seinen Kaugummi aus den sich schließenden Türen des Busses spuckte. Kurz darauf lief ein Mann an dieser Stelle vorbei. Er verfehlte den Kaugummi nur knapp. Wie kann man nur so egozentrisch und skrupellos sein? Solche Menschen bekommen meine komplette Verachtung und tragen nicht wenig dazu bei, dass ich keine Lust mehr habe, mit solchen Menschen in der gleichen Welt zu leben.

Kraftlosigkeit und Schwere nehmen einfach so gegen meinen Willen meinen Körper ein. Ich weiß, ich muss aufstehen, dagegen kämpfen. Doch es ist so schwer. Und meine Texte zeigen mir, dass diese Unzufriedenheit mit der Art des Lebens hier in Deutschland mich wohl nie loslassen werden.

Aber es gibt einen Lichtblick für mich. Und dies ist mein Auslandssemester in Spanien. Wäre ich nur schon dort…

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